Begriffe wie ‚global governance‘ und ‚economic governance‘ sind in der englischsprachigen Diskussion um Globalisierung und EU-Politik geläufig. Deutsche Entsprechungen sind jedoch nicht leicht zu finden. Das liegt an der Bedeutungsvielfalt von ‚governance‘. Anders als das bekannte Wort ‚government‘ (Regierung) bezeichnet ‚governance‘ verschiedene Formen der Herrschaft, Steuerung oder Kontrolle (vgl. Wikipedia). In jeder Wortverbindung kann daher ‚governance‘ etwas anderes bedeuten.
Mit der Losung „No to this economic governance!“ protestierten Attac-Aktivisten in Brüssel (24.6.11 – Info) gegen das Vorhaben der EU, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten zu koordinieren – auf Deutsch: ‚Nein zu dieser Wirtschaftspolitik‘ (nicht: „Wirtschaftsregierung“)!
Für ‚global governance‘ findet sich bei Attac ‚globale Steuerung‘ (Kapitalismus-Kongress 2009 – Info), in der Wikipedia ‚Weltordnungspolitik‘. Eine kritische Erörterung des neoliberalen Konzepts von ‚global governance‘ ist im Neusprech-Glossar nachzulesen.
Um andere Politikfelder geht es bei ‚corporate governance‘, sprich: ‚Unternehmensführung‘ (Anglizismen-Index), und ‚public governance‘, verstanden als ‚politische Steuerung‘ (Boeckler-Stiftung). Die deutschen Entsprechungen sind auch hier nur aus der inhaltlichen Analyse der Begriffe zu erschließen.
Ich finde es interessant, wie vielfaeltig Governance im deutschen Sprachraum verwandt wird. Allerdings halte ich den Begriff an sich fuer unideologisch. Gerade ‚global governance‘ wird sehr breit benutzt – als umbrella term fuer Anstrengungen auf transnationaler/globaler Ebene Wirtschaftsprozesse zu regulieren ohne sich auf internationale Vertraege und Vereinbarungen im engeren Sinne zu beschraenken. Zum Beispiel gilt das Bemuehen von Fairtrade Fairness in globalen Wertschoepfungsprozessen zu foedern (durch Umverteilung der Gewinne zugunsten von Produzenten in Entwicklungslaendern) als Beispiel von global governance.
Andererseits wuerde ich dafuer plaedieren, den Begriff governance nicht nur von government sondern auch von policy abzugrenzen. Zum Beispiel ist aus meiner Sicht die Losung “No to this economic governance!” irrefuehrend bzw. etwas unverstaendlich. “No to this economic policy!” wuerde fuer mich mehr Sinn machen. Bei ‚economic policy‘ geht es ganz klar um Steuerung VON oekonomischen Prozessen, waehrend ‚economic governance‘ auch Steuerung DURCH oekonomische Prozesse bedeuten koennte. Also zwei sehr verschiedene Konnotationen.
Dass economic governance nicht nur die Steuerung VON sondern auch DURCH ökonomische Prozesse bedeuten kann, finde ich SEHR interessant und wichtig. Liegt darin vielleicht die eigentliche ideologische Funktion des Begriffs. Dass wir uns von ökonomischen Prozessen steuern lassen statt sie zu steuern ist ja gerade das neoliberale Programm.