Crowdfunding : Schwarmfinanzierung

Die Idee kommt aus den USA: Mit ‚crowdfunding‘ wird versucht, Geld von einer Vielzahl von Personen für ein Projekt aufzutreiben. Das Ganze passiert über das Internet, meist mit Hilfe eines Videos oder einer Präsentation, die das Projekt vorstellt und für Unterstützung wirbt. Die weltweit bekannteste Plattform ist ‚Kickstarter‘, 2009 in den USA gegründet. In Deutschland sind in den vergangenen drei Jahren ähnliche Plattformen entstanden, unter ihnen ‚Startnext‘ als bisher größte.

Die Verbreitung dieser Idee hierzulande ließ ‚Crowdfunding‘ nicht nur zum Anglizismus des Jahres 2012 aufsteigen, sondern brachte auch eine interessante deutsche Bezeichnung mit sich: ‚Schwarmfinanzierung‘. Während ‚Finanzierung‘ und ‚funding‘ etwa gleichbedeutend sind, ist ‚Schwarm‘ keine direkte Übersetzung von ‚crowd‘, sondern eher eine ’schöpferische Entsprechung‘. Das englische Wort ‚crowd‘ bedeutet ‚eine Ansammlung von Menschen an einem öffentlichen Ort‘ (Oxford Advanced Learner’s Dictionary), übersetzt als ‚Menschenmenge, -massen, -ansammlung‘ (Langenscheidt). Diese Bezeichnung bildet zwar eine ‚Vielzahl von Personen‘ ab, enthält aber nicht das dynamische Element, das für den Begriff ‚Schwarm‘ charakteristisch ist. Ursprünglich bezeichnet dieser einen ‚Verband von fliegenden oder schwimmenden Lebewesen‘, die sich synchron in bestimmte Richtungen bewegen und dabei zu kollektivem Handeln fähig sind (Wikipedia). Aber auch das ‚Schwarmverhalten‘ von Menschen und die ‚Schwarmintelligenz‘, insbesondere im Zusammenhang mit dem Internet, haben zunehmende Aufmerksamkeit erlangt.

Bei der ‚Schwarmfinanzierung‘ gibt es nun mehrere dynamische Aspekte: Das betreffende Projekt muss zügig über Kontakte und soziale Netzwerke bekannt werden, damit aus vielen kleinen und größeren finanziellen Beiträgen die volle Summe zum festgelegten Termin erreicht wird (Prinzip: alles oder nichts). Und dieses Einsammeln der Gelder wird zeitgleich auf der Plattform dokumentiert – mit wirkungsvoller Rückkoppelung: je höher die Summe, die im Anfangsstadium erzielt wird, um so größer sind die Erfolgsaussichten für das Projekt und somit die Chancen, noch mehr Leute zur Finanzierung zu gewinnen.

Der Begriff ‚Finanzierung‘ umfasst hier recht unterschiedliche Modelle: Es sind längst nicht mehr nur ‚Kreative‘, die sich über diese Plattformen ihr Film- oder Buchprojekt finanzieren lassen und im Gegenzug eine Prämie oder ein Dankeschön bieten, das eine positive Erwähnung oder ein Gutschein sein kann. Inzwischen nutzen auch Unternehmen und Kommunen die Schwarmfinanzierung, um jenseits von Bankdarlehen an Kapital zu gelangen und gleichzeitig von den Effekten  zu profitieren, die durch die Propagierung ihrer Projekte in den sozialen Netzwerken entstehen. Zum Beispiel stand die öffentliche Infrastruktur im Mittelpunkt einer Konferenz zu ‚Civic Crowdfunding‘ – zu Deutsch ‚bürgerschaftliche Schwarmfinanzierung‘.

Als besonderer Typ hat sich bereits das ‚Crowdinvesting‘ etabliert, bei dem Geldanleger die Aussicht haben, am Gewinn (oder Verlust!) des jeweiligen Projekts beteiligt zu werden. Interessant ist dabei, dass sich beim ‚Crowdfunding/-investing‘ ein Trend von ‚kreativen‘ (gemeinnützigen) zu unternehmerischen Initiativen vollzieht, den wir in ähnlicher Art bei der ‚Share economy‚ (Wirtschaft des Teilens und Tauschens) beobachten können.

Quellen:

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2 Antworten zu Crowdfunding : Schwarmfinanzierung

  1. Stephan schreibt:

    Vielen Dank Sabine fuer diesen wichtigen Beitrag. Auch ich bin vom Potenzial des crowdfunding angetan and lasse nicht ohne Grund meine MBA-Studenten jedes Semester Kickstarter-Projekte erforschen. Wichtig scheint mir zu sein, dass der Erfolg von Kickstarter-Projekten stark von der Leidenschaft der Initiatoren, vom Zeitgeist und der Einbindung verschiedener Communities – Entwickler, Nutzer, Fans – abhaengt. Insofern gibt es schon Anzeichen eines alternativen – auf Partizipation, echte Bedarfe und ideelle Werte setzenden – Wirtschaftsmodells. Allerdings funktioniert crowdfunding oder „Schwarmfinanzierung“ – wie der Name schon andeutet – ebenso auf Wettbewerb. Wettbewerb im Sinne der von Georg Franck so clever benannten „Oekonomie der Aufmerksamkeit“. Laut Franck ist Aufmerksamkeit knapp, Das bedeutet: Nicht jedes Projekt findet womoeglich die Aufmerksamkeit, die es verdient. Wohin der Schwarm tendiert, hat sehr viel mit Marketing und auch mit Manipulation zu tun. So sind viele der erfolgreichen Kickstarter-Projekte keineswegs „grassroots“-Initiativen, sondern Teil einer professionellen Marketing-Maschinerie. Wie Sabine bereits erwaehnt, sind etablierte Firmen und Organisationen laengst auf den Kickstarter-Zug aufgesprungen. Wie lange demnach das Modell des crowdfunding seine Eigenheit und Eigengesetzlichkeit bewahren kann, ist fraglich.

  2. silv schreibt:

    Toller Artikel mit ganz wichtigen Informationen zu diesem Thema. Mittlerweile greifen auch hier bei uns immer mehr Menschen auf Crowdfunding zurück, um eigene Projekte finanzieren zu können. Oftmals ist dies auch die einzige Chance, wenn finanzielle Mittel nicht zur Verfügung stehen.

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