TAFTA & TTIP – transatlantisches Freihandelsabkommen

‚TAFTA‘ und ‚TTIP‘ sind die Kennwörter der gegenwärtigen Verhandlungen zwischen den USA und der EU um eine ‚transatlantische Freihandelszone‘. Sie stehen für ‚Transatlantic Free Trade Agreement‘ und ‚Transatlantic Trade and Investment Partnership‘. Beide Begriffe lassen sich problemlos 1:1 ins Deutsche übersetzen: ‚Transatlantisches Freihandelsabkommen‘ und ‚Transatlantische Handels- und Investitions-Partnerschaft‘, wobei ‚Transatlantisches Freihandelsabkommen‘ meist stellvertretend für beide verwandt wird. Doch was sagen sie wirklich über den Gegenstand der Verhandlungen aus?

Problematisch ist nicht nur, dass die Sondierungsgespräche weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit laufen, sondern dass die Verlautbarungen und allen voran die Schlüsselbegriffe wenig inhaltlichen Aufschluss über die innere Struktur und das Ausmaß des Abkommens geben. Bei dem angestrebten ‚Freihandel‘ geht es weniger um den Wegfall von verbliebenen Industrie- und Agrarzöllen, wie der Begriff erfahrungsgemäß nahelegen würde, als vielmehr um den Abbau von ‚Handelshemmnissen‘ wie Produktstandards, Verbraucherschutzvorschriften, Umwelt- und Sozialnormen. Zur Stärkung der  transatlantischen Konkurrenzfähigkeit sind also weitreichende Eingriffe in Umweltschutz, Arbeitsrecht und Sozialstandards vorgesehen. Und die Frage ist, welche Chancen für das Ringen um ein soziales und grünes Europa verbleiben.

Die öffentliche Diskussion dreht sich folglich sowohl um ganz konkrete Sachprobleme des Abkommens als auch um die Interpretation und Bewertung des Vorhabens. Dabei geht es natürlich um Inhalte und nicht um Sprache, aber für die Aussagekraft und Wirkung der Stellungnahmen sind sprachliche Mittel durchaus relevant. Zunächst lässt sich feststellen, dass der Hauptbegriff ‚Freihandelsabkommen‘ bzw. ‚Freihandelszone‘ allenthalben – unabhängig vom politischen Standort – übernommen wird. Allerdings weisen etliche kritische Erörterungen auf den unmittelbaren Zusammenhang mit dem neoliberalen Freiheitskonzept hin („Freihandel im großen Stil, das passt zum neoliberalen Weltbild“(2)).

Was aber die unterschiedlichen Positionen kennzeichnet, sind vielfältige Bezeichnungen anstelle des Hauptbegriffs oder im Umfeld desselben. So wird in der Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministeriums (BWMI), das die Vorzüge hervorhebt, von einer „transatlantischen Freihandelsinitiative“ und einem „umfassenden, ambitionierten Abkommen“ gesprochen (1). Und eine kürzliche Pressemeldung der Bertelsmann Stiftung, in deutlich werbender Diktion, umgibt den wiederkehrenden Hauptbegriff ‚Freihandelsabkommen‘ mit Wörtern wie „Vorteile“, „profitieren“, „gewinnen“ und „positive Effekte“(5).

Auch als „Elefantenhochzeit“ wird das Abkommen bezeichnet, um seine Dimensionen ins Bild zu setzen, interessanterweise sowohl bejahend („Elefantenhochzeit der zwei größten Wirtschaftsräume“: BMWI-Stellungnahme (3)) als auch ablehnend („TTIP-Elefantenhochzeit für Freihandel stoppen“: Attac-AG Welthandel/WTO (4)). In kritisch-analytischen Erörterungen finden sich weitere Bezeichnungen für das Ausmaß: „Mammutprojekt“(2)/ „größte Freihandelszone der Welt“(4), für das Wesen: „transatlantischer Binnenmarkt“(4)/ „monolithischer Handelsblock“(2) und für das Gefahrenpotential des Vorhabens: „größter bilateraler Handelsdeal“(4). Besonders markant sind schließlich ironisch akzentuierte Wortschöpfungen wie „neue Weltwirtschaftsmacht EUSA“ und „Gemeinsamer Markt Transatlantien“(2), die die Phantasie ansprechen und zugleich zum Nachdenken anregen.

Quellen:

(1) „Dimensionen und Auswirkungen eines Transatlantischen Freihandelsabkommens“ in BMWI Monatsbericht 4/2013 [Link]
(2) „Gemeinsamer Markt Transatlantien“ v. Michael Krätke in „der Freitag“ v. 12.07.2013 [Link]
(3) „Transatlantisches Freihandelsabkommen“ in Wikipedia [Link]
(4) „TTIP-Elefantenhochzeit für Freihandel stoppen“ v. Attac-AG Welthandel/WTO [Link]
(5) „Von transatlantischem Freihandelsabkommen profitieren alle Bundesländer, Branchen und Einkommensgruppen“ v. Bertelsmann Stiftung in Pressemeldung v. 04.10.2013 [Link]

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2 Antworten zu TAFTA & TTIP – transatlantisches Freihandelsabkommen

  1. Sabine schreibt:

    Eine aufschlussreiche Studie in der aktuellen Le Monde diplomatique (8.11.13) bringt folgendes alarmierende Sinnbild in die Diskussion: „Das gesamte TTIP-Tafta-Projekt gleicht dem Monster aus einem Horrorfilm, das durch nichts totzukriegen ist. Denn die Vorteile, die eine solche ‚Wirtschafts-Nato‘ den Unternehmen bieten würde, wären bindend, dauerhaft und praktisch irreversibel, weil jede einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten geändert werden kann.“ Vgl. Lori Wallach: TAFTA – die große Unterwerfung [Link]

  2. Pingback: Stoppt TTIP! Wie befördert Sprache den Protest? | Forum Sprachkritik und Politik

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