Der Text „Einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“, 1998 von Zbigniew Brzezinski – seit Jahrzehnten Berater der USA-Sicherheits- und Außenpolitik – geschrieben, liest sich wie eine in imperialer Sprache verfasste Anleitung für die NATO- und EU-Osterweiterung und den nunmehr eskalierten Ukrainekonflikt.
Einleitend bemerkt Brzezinski, dass die USA nach 500 Jahren europäischer Weltherrschaft und nach dem Ende der Sowjetunion „zur einzigen und im Grunde ersten wirklichen Weltmacht“ aufgestiegen seien. Die Vorherrschaft der USA in Eurasien hänge aber davon ab, ob sie „das Aufkommen einer dominierenden, gegnerischen Macht verhindern kann. […] Eurasien ist somit das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird. […] Mit dem American way of life entsteht ein idealer Rahmen für die indirekte und scheinbar konsensbestimmte Hegemonie der Vereinigten Staaten.“
Der massive, aber nicht greifbare Einfluss, den die USA durch die Beherrschung der weltweiten Kommunikationssysteme, der Unterhaltungsindustrie, der Massenkultur, seiner technologischen Überlegenheit und seiner weltweiten Militärpräsenz ausübt, wird von einem komplexen System weltweit vernetzter Institutionen und Bündnisse verstärkt. Die Macht wird durch „dauerndes Verhandeln nach offiziellem Konsens ausgeführt,“ selbst wenn sie „von einer einzigen Quelle ausgeht – nämlich Washington […] ein Machtpoker nach amerikanischen Regeln.“
Brzezinski benennt die „wichtigsten Spieler“ nur mit Himmelsrichtungen: Im Westen und Osten mächtige Staaten unter Einfluss der USA, im östlichen Festland ein immer mächtigerer Spieler sowie die Inselkette des fernöstlichen Rivalen, dazwischen ein riesiges, instabiles Gebiet – „früher ein mächtiger Konkurrent“, südlich davon ein anarchisches, an Rohstoffen reiches Gebiet.
„Wenn der mittlere Bereich immer stärker in den expandierenden Einflussbereich des Westens, wenn die südliche Region nicht unter die Herrschaft eines einzigen Akteurs gerät, […] dürften sich die USA behaupten können. Schließen sich die verschiedenen Spieler jedoch zusammen und erteilen dem Westen eine Abfuhr, […] schwindet die Vorrangstellung Amerikas in Eurasien dramatisch.“
Hier sieht Brzezinski die USA in dem Dilemma, dass sie zwar weitreichenden Einfluss ausübten, aber keine direkte Herrschaft wie frühere Weltreiche. Zumal „Amerika im eigenen Land strikt auf Demokratie baut, kann es sich im Ausland nicht autokratisch gebärden.“ Da sich außerdem die Mehrheit der Amerikaner gegen militärische Invasionen ausspräche, könne nur „der Einsatz eigener politischer Aktivposten für eine erfolgreiche Geostrategie auf dem eurasischen Schachbrett“ sorgen. Brzezinski empfiehlt, „geostrategisch dynamische Staaten Eurasiens auszumachen“, die das Kräfteverhältnis ändern könnten sowie „die zentralen außenpolitischen Ziele ihrer Eliten zu entschlüsseln.“
Er zitiert in Herrschaftssprache „die drei großen Imperative imperialer Geostrategie: Absprachen zwischen den Vasallen verhindern und ihre Abhängigkeit in Fragen der Sicherheit bewahren, die tributpflichtigen Staaten fügsam halten und schützen und dafür zu sorgen, dass die ‚Barbaren‘-Völker sich nicht zusammenschließen.“
Brzezinski unterscheidet dann die „geostrategischen Akteure (Deutschland, Frankreich, Russland, China, Indien), Staaten, die die Kapazität und den nationalen Willen zur Macht“ hätten von den „geopolitischen Dreh- und Angelpunkten“ (Ukraine, Aserbaidschan, Südkorea, Türkei, Iran), Staaten ohne Machtanspruch, aber durch ihre geografische Lage wichtig, weil sie Zugang zu Ressourcen verweigern könnten.
Die Ukraine ist für Brzezinski ein „neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett. […] Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr.“ Aserbaidschan ist „der Korken in der Flasche, die die Schätze des Kaspischen Beckens und Zentralasien enthält.“ Erhielte Russland die Ukraine zurück, würde es das mächtigste Reich Eurasiens und damit der ganzen Welt.
PS:
Zusätzlich zu diesem Haupttext sind auch folgende aktuelle Äußerungen von und über Brzezinski interessant: Das wahre Große Schachbrett und die Profiteure des Kriegs. Von Peter Dale Scott. Januar 3rd, 2014 [Beitrag] und Kommentare der Freitag Community: Fragmente einer Sicherheitskonferenz 2014 [Kommentar1] [Kommentar2].